Rote Linien werden im Jahr 2025 entscheidend für die geopolitischen Risiken von Unternehmen sein. Unternehmen müssen auf die Risiken vorbereitet sein, die mit schnellen Veränderungen der regionalen und globalen Stabilität einhergehen.
Der geopolitische Wettbewerb macht es unerlässlich, rote Linien zu kommunizieren, zu verstehen und zu respektieren, um große Konflikte zu verhindern. Fehlt diese diplomatische Sensibilität, werden die Grenzen von Eskalationsschritten zunehmend unklar und bieten Raum für Spekulationen. Im Nahen Osten, in Europa und in Ostasien wählen politische Entscheidungstragende häufiger Eskalationsschritte, die nur knapp unter den bisherigen roten Linien bleiben. Diese roten Linien sind also unsicherer und veränderlich geworden – ein klassisches Rezept für Fehleinschätzungen.
Zusätzlich führt der geopolitische Wettbewerb dazu, dass rote Linien weltweit miteinander verbunden sind. Regionale Konflikte sind immer stärker durch geopolitische Koalitionen verflochten; das Überschreiten einer roten Linie in einem Gebiet birgt das Risiko, in einem anderen eine Reaktion auszulösen.
Unternehmen sollten 2025 drei Regionen aufmerksam in Bezug auf rote Linien und entscheidende Auslöser beobachten:
Der Nahe Osten. Der Zusammenbruch roter Linien fördert einen eskalierenden Konflikt zwischen Israel und dem Iran (und regionalen Verbündeten). Da Irans „Achse des Widerstands“ stark geschwächt ist und direkte Angriffe normalisiert sind, steht für 2025 die Frage im Raum, ob die Eskalation unweigerlich zu einer nuklearen Bewaffnung oder zu einem Präventivschlag gegen Irans Atomprogramm führt. Dies könnte massive Auswirkungen auf die globalen Energiemärkte, die Weltwirtschaft und die internationale Stabilität haben.
Europa. Der Krieg in der Ukraine hat in den letzten drei Jahren viele vermeintliche rote Linien überschritten: Invasion und Besetzung, Waffentransfers, Luftraumverletzungen, Kriegsverbrechen und Langstreckenangriffe. Wiederholte Überschreitungen und gedämpfte Reaktionen darauf desensibilisieren das Risikobewusstsein, erhöhen die Risikotoleranz und schaffen Anreize zur Eskalation, vor allem, um den Effekt der Abschreckung wiederherzustellen. Im Jahr 2025 besteht das Risiko für Unternehmen darin, überrascht zu werden, wenn das Überschreiten der nächsten roten Linie eine erhebliche Gegenreaktion auslöst, zum Beispiel asymmetrische Vergeltungsmaßnahmen gegen kritische oder militärische Infrastruktur in Europa.
Asien. Längst ruhende Konfliktherde, die einst im Mittelpunkt des Kalten Krieges standen, erwachen im sogenannten "Kalten Krieg II" erneut zum Leben. Das Risiko eines großen Konflikts in dieser Region im Jahr 2025 ist zwar gering, aber unberechenbarer geworden im Vergleich zu vergangenen Jahren. Militärübungen in der Taiwanstraße, Grenzprovokationen zwischen Nord- und Südkorea sowie nicht-letale maritime Zusammenstöße im Südchinesischen Meer nehmen zu und nähern sich immer mehr den unsichtbaren roten Linien. Das Risiko einer Eskalation durch Unfälle oder Fehlkalkulationen steigt, selbst wenn alle Beteiligten nur eine kontrollierte Aggression verfolgen. Selbst wenn ernsthafte militärische Auseinandersetzungen vermieden werden, können kleinere Krisen wirtschaftliche Konflikte auslösen, etwa in Form von Sanktionen sowie Handels- und Investitionsbeschränkungen.
Darüber hinaus gibt es nicht-militärische rote Linien, wie die mögliche Verschärfung westlicher Sanktionen gegen chinesische Unternehmen aufgrund Chinas Unterstützung für Russland. Diese Sanktionen könnten im Jahr 2025 wahrscheinlicher werden, da der Konflikt in der Ukraine in sein viertes Jahr geht. (Ähnliches gilt für Indien, das zu den größten Abnehmern von russischem Öl zählt.) Sanktionen könnten direkte Vergeltungsmaßnahmen gegen westliche Unternehmen und deren Lieferketten nach sich ziehen und gleichzeitig die Bestrebungen multinationaler Unternehmen zur Risikominderung, Entkopplung und Diversifizierung beschleunigen.
In den USA hingegen hat ein tief gespaltener Kongress immer wieder mit der roten Linie eines möglichen Zahlungsausfalls gespielt – ein Risiko, das mit ziemlicher Sicherheit während der nächsten Regierung bestehen bleiben wird.
Was das für Unternehmen bedeutet
Ein fundiertes geopolitisches Situationsbewusstsein ist entscheidend für das Management von Risiken im Zusammenhang mit Eskalationsgrenzen und strategischen Überraschungen. Unternehmen sollten proaktiv den geopolitischen Horizont überwachen, um potenzielle rote Linien und kritische Wendepunkte zu identifizieren, die signifikante Veränderungen im Risikoumfeld auslösen können.
Die Betrachtung extremer Szenarien ist eine wertvolle Methode für das Stresstesten von Geschäftsabläufen und Strategien. Auch wenn diese Szenarien als sehr unwahrscheinlich erscheinen, ermöglichen sie es Unternehmen, potenzielle Risiken zu erkennen, die in ihre Risikomanagementpläne integriert werden sollten. Zudem helfen sie dabei, Lücken und Schwächen in der Krisenplanung und im Risikomanagement aufzudecken und zu beheben.